Ausstellung Text- Mathias Kobel

smellscape

 

Teil 1

Ein spätsommerlicher Nachmittag im Garten in Köniz. Personen gehen umher, berühren und beschnuppern mit geschlossenen Augen Blumen, Pflanzen, das Gebüsch, Häuserecken, bücken sich zum Erdboden oder recken sich in die Höhe zu den Baumästen. Im Austausch mit Maeva Rosset, Künstlerin und aktueller Gast im gepard14, erklären die Teilnehmer des Workshops „smell diary“, an was die von ihnen gefundenen und ausgewähltenDüfte erinnern: an nasse Flusssteine, Nussöl, Tierurin, Kirschenkonfitüre. Die passenden Worte für die gefundenen Gerüche zu nennen, stellt sich nicht als leichte Übung heraus. Das anschliessende Verschriftlichen der olfaktorischen Eindrücke auf Papier ermöglicht vielleicht einen klärenden Moment.

 

Teil 2

Gemeinsam mit Giovanni Sammarco, Parfumeur, präsentiert die Künstlerin im zweiten Teil des Workshops im fast leeren Kunstraum unterschiedlichste Duftessenzen aus Indien. Die Düfte sind in flüssiger Form gebunden und werden in kleinen braunen und blauen Flacons gesammelt. Nacheinander dürfen wir die Flacons öffnen und riechen. Auch hier wird versucht, die wahrgenommenen Essenzen zu beschreiben und sich darüber auszutauschen. Fragen werden in den Raum geworfen: Riecht der Duft namens „Mitti attar“ nach Regen? Wie riecht Regen überhaupt? Was hat es mit der Duftnote „Blut“ auf sich? Bei einzelnen Düften braucht es bereits Überwindung, das Flacon zu öffnen – so geschehen beim Duftstoff „Death“. Ein süsslich stechender, verwesender Duft, der einem in die Nase steigt.

 

Maeva und Giovanni waren diesen Frühling drei Monate mit einem Research-Stipendium von Pro Helvetia in Indien. Dabei arbeiteten sie im gemeinsamen Projekt „smellscape“. Ausgehend von existierenden Orten sammelten sie Gerüche für olfaktorische Landschaften. In Kânnauj, eine Stadt im Norden Indiens, entdeckte die Künstlerin das Parfüm „Mitti attar“. Der Duft des ersten Regens wird durch die Destillation von Tonscherben zerbrochener Terrakotta-Töpfen eingefangen. Ein weiteres Forschungsprojekt sind die „smell diaries“ – persönliche Beschreibungen von Düften und den dazugehörenden Orten unterschiedlichster Personen. Die handschriftlich verfassten Texte auf Papier werden von der Künstlerin gesammelt, teilweise im Raum direkt an die Wand gehängt und laden ein zum selberlesen.

 

Teil 3 

Für die Produktion neuer Parfüme werden heute Duftnoten aus und von unterschiedlichsten Ländern und Orten gesammelt, geprüft, gemischt und im Labor aufbereitet. Düfte beinhalten verschiedenste Duftmoleküle. Durch die Atemluft gelangen solche Moleküle in die Nase auf die Riechschleimhaut und ins Gehirn. Das gleiche Parfüm direkt auf die Haut aufgetragen von unterschiedlichen Personen, kann individuell wirken. Duftnoten werden auch im Innen- oder Aussenraum verschieden wahrgenommen. Sie verbreiten und verflüchtigen sich.

 

Teil 4

In den Installationen von Maeva Rosset sind Düfte ein essentieller Teil der Arbeit. Ausgehend von einzelnen Duftnoten, auf die die Künstlerin während ihren Recherchen stösst, entstehen neben Objekten olfaktorische und oftmals begehbare und mit dem Geruchssinn erlebbare Landschaften. Für die Ausstellung im gepard14 entwickelt Maeva die Arbeit „smellscape“. Wie ein Duft sich aus unzähligen Molekülen zusammensetzt, entsteht bei Maeva Rosset eine prozessorientierte und aus unzähligen Erfahrungen und Erinnerungen bestehende Arbeit im Raum.

 

 

 

Text: Mathias Kobel